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Des Kaisers neue Krone

 

 

Vor vielen Jahren lebte ein Kaiser, der so ungeheuer viel auf neue Kronen hielt, daß er all sein Geld dafür ausgab. Er kümmerte sich nicht um seine Bürger und Bürgerinnen, kümmerte sich nicht um Umwelt- und Klimaschutz, und auch nicht um Sozialgesetzgebung. Er liebte auch Kunst und Kultur nicht, außer wenn es ihm eine Gelegenheit gab, seine neuen Kronen zu zeigen. Er hatte eine Krone für jede Stunde des Tages, und ebenso, wie man von einem Könige sagt, er ist im Bundestage, sagte man hier immer: "Der Kaiser gibt eine Pressekonferenz, um seine neuen Kronen zu zeigen."

 

In der großen Stadt, in welcher er wohnte, ging es sehr munter zu; an jedem Tage kamen viele Fremde da an. Da in dieser Zeit eine Virusepidemie grassierte, hatte der Kaiser grosse Sorge sich anzustecken. Eines Tages kamen auch zwei Betrüger; sie gaben sich für Virologen aus und sagten, daß sie den besten Impfstoff, den man sich denken könne, zu produzieren verständen. Der Impfstoff wäre nicht allein ungewöhnlich wirksam, sondern die Impfung, wenn man sie den Menschen verabreichen wollte, besäße die wunderbare Eigenschaft, daß sie bei den Menschen nicht wirken würden und auch von diesen Menschen abgelehnt würden, die nicht gehorsam sein, selbstständig und eigenverantwortlich denken würden und damit einfach unverzeihlich dumm sein.

 

"Das wäre ja ein prächtiger Impfstoff!" dachte der Kaiser; "wenn ich den hätte, könnte ich ja dahinter kommen, welche Männer in meinem Reiche zu dem Amte, das sie haben, nicht taugen; ich könnte die Klugen von den Dummen unterscheiden! Viel mehr noch, ich könnte die Ungehorsamen aussortieren und isolieren. Ja, das Zeug muß sogleich für mich produziert werden!" Und er gab den beiden Betrügern viel Handgeld und weitreichende Befugnisse, damit sie ihre Arbeit beginnen möchten.

 

Sie richteten auch viele Labors ein, stellten viele Arbeiter an und thaten, als ob sie hart forschten und arbeiteten; aber sie produzierten nicht einen wirksamen Impfstoff. Frischweg verlangten sie Einfluss auf Gesetzgebung und Regelungen des öffentlichen Lebens, sie verlangten Steuerfreiheit und die Zusicherung, jeglichen Profit mit dem Impfstoff in ihre eigene Tasche zu stecken. So arbeitete sie an den wirklosen Impfstoffen jeden Tag bis spät in die Nacht hinein.

 

"Ich möchte doch wohl wissen, wie weit sie mit dem Zeuge sind!" dachte der Kaiser. Aber es war ihm ordentlich beklommen zu Muthe, wenn er daran dachte, daß Derjenige, welcher dumm sei oder schlecht zu seinem Amte tauge, die Wirkung nicht spüren könne. Nun glaubte er zwar, daß er für sich selbst nichts zu fürchten brauche, aber er wollte doch erst einen Andern senden, um zu sehen, wie es damit stände. Alle Menschen in der ganzen Stadt wußten, welche besondere Kraft das Zeug habe, und Alle waren begierig, zu sehen, wie schlecht oder dumm ihr Nachbar sei.

 

"Ich will meinen alten, ehrlichen Minister zu den Virologen senden!" dachte der Kaiser. "Er kann am Besten beurtheilen, wie das Zeug sich ausnimmt, denn er hat Verstand, und Keiner versieht sein Amt besser, als er!"

 

Nun ging der alte, gute Minister in die Labors hinein, wo die zwei Virologen saßen und arbeiteten, und bat sie, ihm die Daten und Statistiken der Medikamentenprüfung zu zeigen. "Gott behüte uns!" dachte der alte Minister und riß die Augen auf; "ich kann ja überhaupt keine signifikante Wirkung entdecken! Und zudem scheint es heftige Nebenwirkungen zu geben." Aber dieses sagte er nicht.

 

Beide Betrüger baten ihn, sich gefälligst zu den Daten zu äussern, und fragten, ob dies nicht phänomenale Wirksamkeit bei so gut wie keinen Nebenwirkungen seien. Dann zeigten sie auf die lange Korridore mit den Millionen von produzierten Impfstoffdosen, und der arme, alte Minister fuhr fort, die Augen aufzureißen und sein Hirn anzustrengen: aber konnte nichts verstehen, denn es war nichts zu verstehen. "Herr Gott!" dachte er, "sollte ich dumm sein? Sollte ich gar nichts von Statistik verstehen? Das habe ich nie geglaubt, und dieses darf kein Mensch wissen! Sollte ich nicht zu meinem Amte taugen? Sollte ich in meinem tiefsten Innern unwissenschaftlich denken, ja sogar ungehorsam gegenüber dem Kaiser sein? Nein, es geht nicht an, daß ich erzähle, ich könne die positiven Wirkungen des Impfstoffes nicht sehen!"

 

"Nun, Sie sagen nichts dazu?" fragte der Eine, sich auf seinem Laborstuhl zurücklehnend.
"O, es ist überwältigend! ganz überzeugend!" antwortete der alte Minister und sah durch seine Brille. "Diese statistische Signifikanz und diese geringen Nebenwirkungen! - Ja, ich werde es dem Kaiser sagen, daß es mir sehr gefällt."
"Nun, das freut uns!" sagten die Virologen, und darauf erklärten sie ihm die statistische Signifikanz, die Wirkquoten und die Unerheblichkeit der Nebenwirkungen. Der alte Minister paßte gut auf, damit er dasselbe sagen könnte, wenn er zum Kaiser zurückkäme, und das that er.

 

Nun verlangten die Virologen mehr Geld, mehr Auszeichnungen und mehr politischen Einfluss, weil sie sonst nicht weiter produzieren könnten. Sie steckten Alles in ihre eigenen Taschen, in die Steuerkasse kam kein Cent, aber sie fuhren fort, wie bisher, unwirksame Impfstoffe zu produzieren.

 

Der Kaiser sandte bald wieder einen andern ehrlichen Staatsmann hin, um zu sehen, wie es mit der Impfstoffproduktion stände und ob das Zeug bald fertig sei; es ging ihm gerade, wie dem Ersten; er sah und sah, weil aber keine Signifikanz in den Daten zu erkennen war, und die Daten zudem beträchtliche Nebenwirkungen aufzeigten, konnte er nichts verstehen.
"Ist das nicht ein phänomenaler Impfstoff?" fragten die beiden Virologen und zeigten und erklärten die Daten und Signifikanzen, welche gar nicht da waren.

 

"Dumm bin ich nicht!" dachte der Mann; "Statistik kann ich auch. Es ist also mein gutes Amt, zu dem ich nicht tauge? Das wäre komisch genug, aber das muß man sich nicht merken lassen!" und so lobte er das Zeug, lobte die Daten, welche er nicht verstand, und versicherte ihnen seine Freude über die phänomenale Wirkung und die geringen Nebenwirkungen. "Ja es ist ganz allerliebst!" sagte er zum Kaiser.

 

Alle Menschen in der Stadt sprachen nun von dem prächtigen Zeuge.

 

Nun wollte der Kaiser es selbst sehen, während es noch in der Produktion sei. Mit einer ganzen Schaar auserwählter Männer, unter denen auch die beiden ehrlichen Staatsmänner waren, die schon früher dort gewesen, ging er zu den beiden listigen Virologen hin, die nun aus allen Kräften produzierten, rechneten und Daten präsentierten.

 

"Ist das nicht prächtig?" sagten die beiden alten Staatsmänner, die schon einmal da gewesen waren. "Sehen Ew. Majestät, welche Signifikanz, welch geringen Nebenwirkungen!" Und dann zeigten sie auf die Datentabellen und Auswertungen, denn sie glaubten, daß die Andern das Zeug wohl verstehen konnten.
"Was!" dachte der Kaiser, "ich verstehe gar nichts! Das ist ja schrecklich! Bin ich dumm? Tauge ich nicht dazu, Kaiser zu sein?
Das wäre das Schrecklichste, was mir begegnen könnte!"

 

 "O, es ist sehr beeindruckend!" sagte er. "Es hat meinen allerhöchsten Beifall!" Und er nickte zufrieden und betrachtete die Datentabellen, denn er wollte nicht sagen, dass er nichts verstehen könne. Das ganze Gefolge, welches er bei sich hatte, sah und sah und bekam nicht mehr heraus, als die Andern; aber sie sagten, wie der Kaiser: "O, das ist beeindruckend!" Und sie riethen ihm, diese neuen, wunderbaren Impfstoffe flächendeckend bei der Bevölkerung einzusetzen. "Es ist beeindruckend, wirksam, wunderbar!" ging es von Mund zu Mund; man schien allerseits innig erfreut darüber, und der Kaiser verlieh den Virologen den Titel: Kaiserliche Impfstoffmischer.

 

Die ganzen Wochen vor dem flächendeckenden Einsatzes des Impfstoffes an der Bevölkerung, waren die Betrüger auf und hatten überall helle Lichter angezündet. Die Leute konnten sehen, daß sie stark beschäftigt waren, und hart arbeiteten um des Kaisers neuen Impfstoff fertig zu machen. Sie thaten, als ob sie das Zeug prüften, erfanden Daten, verschwiegen Zahlen und sagten zuletzt: "Nun sind die Impfstoffe fertig!"

 

Der Kaiser mit seinen vornehmsten Cavalieren kam selbst dahin, und beide Virologen impften sich gegenseitig, und sagten: "Seht, hier keine Nebenwirkungen! Und absolut wirksam!" und so weiter. "Es ist so leicht wie Wasser; man sollte glauben, man habe nichts gespritzt bekommen; aber das ist gerade die Schönheit davon!"
"Ja!" sagten alle Cavaliere.
"Belieben Ew. kaiserliche Majestät jetzt sich allergnädigst impfen zu lassen," sagten die Virologen, "so wollen wir Ihnen den neuen Impfstoff verabreichen!"
Der Kaiser rollte seinen Ärmel hoch, und die Virologen zogen eine Spritze mit dem Impfstoff auf und verabreichten sie dem Kaiser. Der Kaiser wendete und drehte sich vor dem Spiegel.
"Ei, wie gut sich das anfühlt! Wie sehr ich schon die stärkende Wirkung verspüre!" Und alle sagten "Welch kraftvolle Wirkung! Ew. Majestät sehen noch viel gesünder und stärker aus als vorher!"

 

"Draußen stehen sie mit dem Thronhimmel, welcher über Ew. Majestät in der Procession getragen werden soll," meldete der Oberceremonienmeister.
"Seht, ich bin ja fertig!" sagte der Kaiser. "Ich fühle mich kraftvoll und widerstandsfähig! Jetzt kann ich mich ungefährdet in die Menge begeben!" Und dann wendete er sich nochmals zu dem Spiegel, denn es sollte scheinen, als ob er seine neue Kraft und Widerstandsfähigkeit betrachtete.

 

So ging der Kaiser in die Procession unter dem prächtigen Thronhimmel, und alle Menschen auf der Straße und in den Fenstern sprachen: "Gott, wie gesund und stark und widerstandsfähig sieht der Kaiser aus!" Doch innerhalb weniger Tagen wurde der Kaiser krank und keiner wollte es sich merken lassen, daß er sah, dass der Impfstoff nicht gewirkt hatte, denn dann hätte er ja nicht zu seinem Amte getaugt oder wäre sehr dumm gewesen. Man hätte ihm sogar ungehorsam gegenüber dem Kaiser vorgeworfen und er wäre deswegen verurteilt und bestraft worden.

 

"Aber er ist ja schwer krank!" sagte endlich ein kleines Kind bei der nächsten Procession. “Er kann sich ja gar nicht mehr alleine auf den Beinen halten!”  “Herr Gott, hört des Unschuldigen Stimme!" sagte der Vater; und der Eine zischelte dem Andern zu, was das Kind gesagt hatte.
"Aber er ist ja krank!" rief zuletzt das ganze Volk. Das ergriff den Kaiser, denn es schien ihm, sie hätten Recht; aber er dachte bei sich: "Nun muss ich die Sache aushalten." Und die Kammerherren gingen noch straffer, auch wenn sie sich krank fühlten und der Kaiser wollte allen Menschen Zwang antun sich impfen zu lassen.

 

Als die Reihe nun an die Familie kam, zu der das Kind gehörte, rief das Kind: “Aber Vater, warum sollten wir uns impfen lassen, wenn es doch gar nicht wirkt?” Und der Vater sagte: “Gott spricht erneut durch diesen Kindermund. Dann wollen wir uns nicht impfen lassen.”
Und das hörten die Nachbarn, und sie zischelten es ihren Nachbarn zu und bald hatte es die ganze Stadt ergriffen. Und niemand wollte sich mehr impfen lassen.

frei übersetzt in Corona-Deutsch basierend auf der ursprünglichen Fassung von Hans Christian Andersen (1805-1875)

https://maerchen.com/andersen/des-kaisers-neue-kleider.php                                                                                                                           Crisalis (www.crisalis.de)

 

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